2010-09-27 Kongress in Oppeln

Duppré: „Europa der 27 ohne kommunale Kooperation nicht möglich“

Kommunalpolitischer Kongress der AKP tagte im Oppelner Schlesien

 

Schloss Groß Stein / Kamien Slaski

2010-10-27 (BK) Betrachtet man wie das BMI unter allen Regierungskonstellationen seit 1990 die deutsche Minderheit als wichtigen Faktor bei der deutsch-polnischen Verständigung, dann ist die Wojewodschaft Oppeln, wo die Minderheit gemeinsam mit der Bürgerplattform PO regiert, einer der wichtigsten Brückenköpfe in der Partnerschaftsbewegung. Zwischen Deutschen und Polen hat diese seit Abschluss des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages 1991 nun Fahrt aufgenommen, nachdem sie in Zeiten des Kalten Krieges eher nomineller Natur war.

Seit dem Jahr 2000 findet unter verschiedener Trägerschaft wechselseitig in beiden Ländern ein alljährlicher Kommunalpolitischer Kongress für Spitzenvertreter der Kreise und Städte statt, der seit 2006 von der deutsch-polnischen Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitische Partnerschaft (AKP) ausgerichtet wird. Der von der Bundesregierung geförderte Kongress dient dem Austausch über Partnerschaftsarbeit und zwischen Landräten, Bürgermeistern unter Einbeziehung der dialogorientierten Heimatkreisvertreter der Vertriebenen sowie der wichtigsten Vertreter der deutschen Minderheit auf kommunaler Ebene in Polen.

 

Der diesjährige Kongress der AKP zog rund 45 führende Kommunalpolitiker beider Nationen auf das repräsentative Schloss Groß Stein nahe dem oberschlesischen Oppeln. Ein Ort mit Symbolwert, wurde Schloss Groß Stein doch 1994 aus Mitteln der Stiftung für deutsch-polnischen Zusammenarbeit vollständig wieder aufgebaut. Die Schirmherrschaft über den von der Bundesregierung geförderten Kongress hatte der Marschall der Wojewodschaft Oppeln, Jozef Sebesta, übernommen. Für ihn begrüßte das Oppelner Regierungsmitglied Andrzej Kasiura die Kongressdelegierten im Spiegelsaal des Schlosses.

 

Der Kongress lag ganz im Zeichen von 30 Jahre Solidarnosc und 20 Jahre deutsch-polnische Verträge. So hauchte der ehemalige ARD-Korrespondent in Warschau Friedrich-Wilhelm Kramer, heute Direktor des NDR-Landesfunkhauses in Kiel, den Streiks auf der Danziger Werft und die Gründung der Solidarnosc vor 30 Jahren aus Sicht der deutschen Medien mit einem lebendigen Vortrag noch einmal Leben ein. Ein Ereignis, dass für die meisten der deutschen und polnischen Partner als Ausgangspunkt für das Ende des Ost-West-Konflikts, für die deutsche Wiedervereinigung, für den Beitritt Polens zur EU und letztlich für den Aussöhnungsprozess zwischen beiden Ländern gilt. Heute garantieren vielfältige, zum Teil starke kommunalpartnerschaftliche Bande das Wachsen von Vertrauen und guter Nachbarschaft, auch ungeachtet der historischen Belastungen, die mit den polnischen Teilungen einerseits und Flucht und Vertreibung nach 1945 andererseits zusammenhängen.

 

Hans Jörg DuppréEin zentraler Angelpunkt des Kongresses war deshalb das Referat des Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Hans Jörg Duppré, über die europapolitische Bedeutung der Kommunalpartnerschaften. Duppré brachte es auf den Punkt: „Europa heißt Frieden! …Ein Europa mit 27 Mitgliedstaaten ist ohne Kooperation zwischen den Kommunen nicht möglich!“ Erst auf kommunaler Ebene kämen die Bürger der Länder in breiter Masse direkt miteinander in Berührung, so Duppré. Die kommunalen Partnerschaften bedeuteten deshalb die Sicherung von Frieden und den Ausbau der Chancengleichheit zwischen Polen und Deutschland.

 

AKP-Vorsitzender Bernd Hinz verwies in diesem Kontext auf die derzeit 17 offiziellen Partnerschaftsverträge zwischen den Vertriebenen-Heimatkreisgemeinschaften und polnischen Kreisen und Städten „in der gemeinsamen Heimat“ als wichtiger Beitrag zur Verständigung. Dupprés engagierte Teilnahme verstünde man „auch als Würdigung unseres Wirkens um die deutsch-polnische Partnerschaftsbewegung auf kommunaler Ebene“, so der Dank des AKP-Vorsitzenden an den Präsidenten des Deutschen Landkreistages.

Ein detailreiches Bild von der internationalen Partnerschaftsarbeit der Wojewodschaft Oppeln sowie ihrer Kreise und Kommunen lieferte Vizemarschall Jozef Kotys. So seien allein im Vorjahr in der verhältnismäßig kleinen Region Oppeln 443 europäische Partnerschaftsinitiativen gezählt worden.

Die Kooperation im pommerschen Grenzbereich stellte der ehemalige Landrat des Kreises Uecker-Randow und amtierende Landesvorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Mecklenburg-Vorpommern, Siegfried Wack, mit der Beschreibung der Arbeit der Euroregion Pommerania vor.

Dass Europa aber auch dynamische Entwicklung bedeuten kann, das belegten gleich mehrere Vorträge und Diskussionsbeiträge polnischer Landräte und Verwaltungsvorstände zur Entwicklung der Kommunen seit dem Beitritt Polens zur EU im Jahr 2004. Der Kreispräsident des Landkreises Allenstein (Olsztyn), Ryszard Dembinski, konnte gleichfalls über eine dynamische Entwicklung des südostpreußischen Kreises seit Beitritt Polens zur EU im Jahr 2004 verweisen. Der Kreis profitiert stark vom Tourismus in Ermland und Masuren.

Über das zunehmende Wiederaufleben des historischen Stadtbildes wusste der Bürgermeister der Stadt Pr. Holland (Paslek), Dr. Wieslaw Sniecikowski, zu berichten. Durch die Partnerschaften vor allem zu der Kreisgemeinschaft Pr. Holland aber auch zu der schleswig-holsteinischen Stadt Itzehoe konnte hier viel erreicht werden. So hatte die Kreisgemeinschaft primär dazu beigetragen, dass unter anderem zwei historische Stadttore und etliche Meter der Stadtmauer restauriert werden konnten.

Als im Gesundheitswesen und im Pflegebereich optimal aufgestellt präsentierte Landrat Jozef Swaczyna den oberschlesischen Landkreis Groß Strehlitz. Man könne sich dem Vergleich mit den westlichen Partnern stellen. Problematisch seien aber die Unterversorgung bei handwerklichen Dienstleistern und die noch ausbaufähige Infrastruktur.

 

Besonders eindrucksvoll hat sich nach Angaben von Verwaltungsvorstand Jaroslaw Lango die Infrastruktur der unweit Danzigs gelegenen Stadt Elbing entwickelt, deren kriegszerstörte Altstadt fast in den letzten 10 Jahren weitgehend wieder aufgebaut wurde. Elbing (Elblag) strebt als nächstes die Einrichtung einer Universität an.

 

 

 

Ein weiteres Schwerpunktthema war die Situation der deutschen Minderheit. Über die Entwicklung des Minderheitenschutzgesetzes in Polen referierte der Sejmabgeordnete Ryszard Galla. „Kein Gesetz hat länger in der Entwurfsphase verweilt“, konstatierte Galla mit Blick auf die 15-jährige Arbeit an dem Gesetz. Vor allem die Kaczynskipartei Recht und Gerechtigkeit PiS hatte sich gegen das Gesetz gestellt und ein Minderheitenquorum von 50 Prozent Bevölkerungsanteil gefordert. Galla zeigte Erfolge aber auch Problemzonen auf. Die Minderheiten in Polen können bei 20 Prozent Bevölkerungsanteil zweisprachige Orts-, Behörden- und Straßenschilder aufstellen sowie Deutsch als Hilfssprache zur Amtssprache gegenüber Behörden verwenden. Auch ohne diesen Bevölkerungsanteil kann aus Initiative der Bevölkerung von der Grundschule bis zur Gymnasialstufe Unterricht in der Sprache der Minderheit begehrt werden. In der dem Vortrag folgenden Diskussion wurde auch das Begehren der polnischen Bevölkerung in Deutschland nach dem Minderheitenstatus angesprochen. Da die polnische Bevölkerung in Deutschland, anders als etwa die sorbische Bevölkerung in Sachsen und Brandenburg oder als die deutsche Bevölkerung im Norden und Westen der Republik Polen keine autochtone Bevölkerung darstelle, könne ihr auch der Minderheitenstatus nicht zugesprochen werden, so das Kernargument der Beiträge in der Konsens-Debatte.

 

 

Von zentraler Bedeutung für das Identitätsbewusstsein der Minderheit sind die deutschsprachigen Medien. Eine umfassende Bestandsaufnahme sowie eine Analyse ihres Wirkens gab der Rundfunkjournalist und Kommunalpolitiker Dr. Rudolf Urban. Ein kultureller Abend, der von der deutschen Minderheit gestaltet worden war, rundete das Programm ab und vermittelte einen kleinen Einblick in das Kulturleben der Deutschen im Oppelner Schlesien.Kultureller Abend

 

Der Themenschwerpunkt „Minderheit“ wurde mit einem von der Minderheit gestalteten kulturellen Abend mit Volkstanz und Gesang abgerundet.

Zu den Organisationen, die sich ungeachtet der nationalen Zugehörigkeit im sozial-humanitären Bereich um Menschen bemühen, zählt das Hilfswerk des Lazarus-Orden, der sich und sein Wirken in der Republik Polen bereits 2009 auf dem Düsseldorfer Kongress mit drei Vorträgen präsentieren konnte. Auf Schloss Groß Stein zeichnete der Großprior des Lazarus-Orden (Weltverband) Klaus-Peter Pokolm Führungskräfte der Lazarus-Station Elbing aus. Unter den in Ermland und Masuren wirkenden Stationen des Ordens zeichnet sich die Elbinger Filiale des Hilfswerks mit ihrer dynamischen Entwicklung als besonders erfolgreich aus.

Die AKP strebt an, über den deutsch-polnischen Kommunalpolitischen Kongress künftig weitere deutsche Landkreise mit ihren polnischen Partnern in den internationalen Erfahrungsaustausch ihrer Spitzenvertreter einzubinden und wird auf Vorschlag des Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Hans Jörg Duppré, den Folgekongress 2011 im Oppelner Partnerland Rheinland-Pfalz ausrichten.